Wie kann man Kaffeebauern zu Geschäftspartnern auf Augenhöhe machen? Reichen dafür überdurchschnittliche Rohkafffee-Preise aus? Wenn man Sven und Peter von Worlds Originals fragt lautet die Antwort „nein“. Ihr Konzept geht noch einen Schritt weiter. Wie das ausschaut und wie man nachhaltig einen Unterschied für Kaffeefarmer und die gesellschaftliche Struktur in kaffeeproduzierenden Ländern machen kann, hat mir Sven in unserem Interview verraten.
Jules: Hi Sven, vielen Dank für dein Interesse an diesem Interview und dass du dir heute Zeit dafür nimmst. Möchtest du dich und Worlds Originals erstmal vorstellen?
Sven: Hi, ja klar, sehr gerne. Mein Name ist Sven Rosenthal und ich bin einer der Gründer von Worlds Originals bzw. der Linusto GmbH. Wir sind April 2019 gestartet und betreiben fairen Kaffeehandel mit Produzenten in Kolumbien. Wir lassen den Kaffee dort zu 100 % produzieren, denn das ist unsere Mission: Wir möchten den Kaffeefarmern einen größeren Anteil der Wertschöpfung aus dem Kaffeehandel zusprechen.
Zu mir persönlich: Ich hab nach dem Abi BWL dual studiert mit dem Schwerpunkt Versicherungen. Ich habe aber schon während des Studiums gemerkt, dass ich mich noch für andere Bereiche interessiere und langfristig nicht bei diesem Thema bleiben werde. Nach dem Bachelor bin ich dann mit Peter, meinem Mitgründer, ins Ausland gegangen. Das war eine prägende Erfahrung. Wir waren zunächst drei Monate in Santa Barbara in Kalifornien um unser Englisch für den internationalen Master auf Vordermann zu bringen. Im Anschluss sind wir noch zwei Monate gereist und haben Zeit in Mexiko, Belize und auf den Bahamas verbracht.
Während der gesamten Zeit, auch schon in Kalifornien, haben wir bemerkt, dass Kaffee ganz anders gelebt wird als in Deutschland. Hier kennt man Kaffee hauptsächlich als starken und bitteren Wachmacher am Morgen. Milch und Zucker im Kaffee erfüllen dabei den Zweck das Bittere zu überdenken. In Mexiko und Belize ist Kaffee viel mehr ein Genussmittel, aber vor allem zentraler Bestandteil der Kultur. Die Menschen sind stolz auf ihren Kaffee, identifizieren sich damit und schätzen ihn einfach sehr. Dementsprechend haben wir nicht nur geschmackliche Unterschiede festgestellt, sondern auch in der Art und Weise wie mit Kaffee umgegangen wird.
Das hat uns neugierig gemacht und war der erste kleine Schritt in Richtung des Startups, das wir heute haben. Ebenfalls auf der Reise haben wir angefangen uns mehr mit dem Thema Kaffeehandel auseinanderzusetzen. Natürlich mussten wir schnell feststellen, dass das meist nicht fair zu geht und ein erhebliches Verbesserungspotential vorhanden ist. So ist die Idee entstanden dieses Thema anzupacken und mit gutem Beispiel voranzugehen. Dann haben wir World’s Originals gegründet.
Jules: Cool, habt ihr denn dann direkt nach der Reise gegründet oder euren Master noch gemacht?
Sven: Wir haben beide erst den Master gemacht. Um das zeitlich einzuordnen: 2014 haben wir unser Bachelorstudium abgeschlossen und sind gemeinsam ins Ausland, aber danach dann nochmal getrennte Wege gegangen. Peter hat seinen Master in der Schweiz dual absolviert und ich in Vollzeit an der Uni Augsburg. Ab 2018 haben wir uns dann intensiver mit unserer Start-up Idee beschäftigt und ein Jahr später gegründet. Aber auch in den Jahren dazwischen war es immer Thema und wir haben gemeinsam an dem Konzept gearbeitet.
Jules: Und wie kam es dann dazu, dass ihr euch für Kaffee aus Kolumbien entschieden habt?
Sven: Wir sind bei Kolumbien gelandet, da sich für uns Kontakte dorthin ergeben haben. Zum einen arbeitet Peter in einem internationalen Umfeld und hat mehrere kolumbianische Arbeitskollegen, die uns entsprechend Kontakte weiterleiten konnten.
Zum anderen hatte auch ich noch einen Kontakt nach Kolumbien, da ein Freund von mir dort eine Reiseagentur eröffnet hat. So kam es dann zu der Entscheidung Kolumbien zu besuchen. Wir wollten uns gern ein Bild vor Ort machen und sind 2017 das erste Mal dort gewesen, haben Fincas besucht, mit Farmern gesprochen und dann letztendlich unseren jetzigen Kooperationspartner kennen gelernt.
Neben den Kontakten sprach aber noch ein weiterer Punkt für dieses Anbauland: Die Kaffeequalität in Kolumbien ist sehr hoch. Für Hochland Arabica ist es eine der besten Gegenden.

Jules: Ich stell mir grad vor wie ihr die Fincas besucht und die Menschen vor Ort kennen gelernt hab, da stellt sich mir die Frage – könnt ihr eigentlich Spanisch?
Sven: Ja, tatsächlich. Ich hatte Spanisch in der Schule und habe von daher eine gute Grundlage. Peter lernt es aktuell noch, da ihn die Sprache auch reizt. Es war auf jeden Fall sehr hilfreich, dass einer von uns Spanisch konnte, da in Kolumbien natürlich nicht jeder Englisch spricht.
Jules: Und arbeitet ihr jetzt mit genau einer Finca oder habt ihr mittlerweile mehrere Partner vor Ort?
Sven: Wir arbeiten mit einem Farmer zusammen, mit Miguel. Er kommt aus einem kleinen Dorf südlich von Bogotá. Es ist umringt mit wunderschönen Kaffeehügeln und vielen kleinen Fincas. Miguel ist einer von rund 100 Farmern vor Ort. Er hatte auch schon Erfahrung in der Kaffeeröstung und deswegen haben wir uns entschieden mit ihm zusammen zu arbeiten. Wir sehen dort ein großes Potential in Zukunft mit mehreren Farmern zu kooperieren und ihre Bohnen können dann auch vor Ort direkt geröstet werden.
Jules: Stimmt, ihr importiert ja fertig gerösteten Kaffee und nicht nur die Bohnen, richtig?
Sven: Richtig, genau das ist das besondere an unserem Konzept, nämlich dass Miguel, also der Farmer, zum Produzenten wird. Das ist auch ganz klar der Zweck von Worlds Originals, nämlich Farmer zum Produzenten ausbilden und sie damit auch für den internationalen Handel vorbereiten. Zwischenhändler sind in diesem Prozess gar nicht beteiligt. In der Regel gibt es im Kaffeehandel viele Zwischenhändler, sodass der Wert des Produktes auf viele Beteiligte verteilt wird. Je weiter man vom Farmer weg ist, desto höher ist der Anteil für denjenigen an der entsprechenden Stelle der Wertschöpfungskette. Den größten Anteil erlangen also aktuell immer noch die großen Kaffeemarken, die am anderen Ende der Kette stehen. Um das grob einzuordnen: Maximal 5 % des Wertes erhält der Farmer und mindestens 30 % die Kaffeemarke.
Wir möchten das ändern. Wir wollen dem Farmer mehr Kontrolle über sein Produkt geben. Er kann es selber gestalten, durch die Röstung, kann sein Endprodukt in den Händen halten und natürlich höhere Preise verlangen als im Rohstoffhandel. Wir helfen ihm bei der Abwicklung, der internationalen Logistik und dem Vertrieb hier in Europa.

Jules: Klasse, dass ihr dem Farmer so viel Verantwortung übertragt. Ich würde sagen das ist euer Alleinstellungsmerkmal, oder?
Sven: Ja, auf jeden Fall. Aber es gibt auch noch andere. Zum Beispiel Solino. Die machen das gleiche in Äthiopien, also lassen vor Ort rösten. Oder die Kaffeekooperative, arbeitet ebenfalls in Afrika.
Wir haben uns ganz bewusst für diesen Weg entschieden, aber er birgt auch Herausforderungen. Zum Beispiel müssen wir sicherstellen, dass die Ware frisch bleibt. Solang der Kaffee zwischen 4 und 12 Wochen beim Kunden ankommt ist aber alles gut, da wir ausschließlich hochwertigen Spezialitätenkaffee anbieten, also Kaffee mit einer Punktzahl von 85 aufwärts, gemäß dem Ranking der Specialty Coffee Association.
Was bei uns nicht geht, ist eine spontane Bearbeitung von Anfragen, die z.B. innerhalb von drei Tagen eine bestimmte Röstung geliefert bekommen möchten. Dennoch merken wir das unser Konzept sehr gut ankommt und auf immer mehr Nachfrage stößt.
Die Zahl der Kunden, denen etwas daran gelegen ist, dass sich der Kaffeehandel zum Besseren ändert, steigt stetig. Wir möchten also mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen, dass es möglich ist den Farmer in den Mittelpunkt zu stellen.
Jules: Klasse, find ich wirklich sehr cool euer Konzept. Was gibt oder gab es sonst noch für Herausforderungen in den letzten zwei Jahren?
Sven: Ganz klar die internationale Logistik. Man muss lernen, dass man an der Stelle nicht die volle Kontrolle darüber hat. Zum Beispiel haben wir keinen Einfluss darauf, wann das Produkt losgeschickt wird. Unser Geschäftsmodell basiert generell auf Vertrauen. Wir vertrauen unseren Partnern voll und ganz. Natürlich haben wir auch Verträge und machen regelmäßig Qualitätskontrollen, aber da der gesamte Herstellungsprozess am anderen Ende der Welt stattfindet und wir niemanden dabei auf die Finger schauen, ist Vertrauen ein ganz großer und wichtiger Aspekt für uns.
Wenn wir mit einer Rösterei in unserem Heimatort zusammen arbeiten würden, könnte man zum Beispiel persönlich vorbei schauen und den Kontakt enger halten. Das ist bei uns eine andere Situation. Wir nutzen dafür digitale Medien, kommunizieren zum Beispiel mit dem Farmer über Whatsapp und machen Videokonferenzen. Das klappt sehr gut.
Herausfordernd sind auch alle rechtlichen Themen in Zusammenhang mit Zoll und Einfuhr. Es ist deutlich komplexer ein fertiges Produkt einzuführen, als einen Rohstoff. Es war dementsprechend eine große Aufgabe dafür Prozesse zu definieren, aber auch das funktioniert mittlerweile sehr gut.
Und zu guter Letzt, was natürlich für jeden eine Herausforderung war und immer noch ist: Corona. Bei uns bedeutet das, dass es zu Lieferengpässen kommen kann und wir das in unserer Planung berücksichtigen müssen. Und wie vorhin schon erwähnt, darf unser Kaffee nicht allzu lang lagern, damit er frisch beim Kunden ankommt.

Jules: Um daran direkt anzuschließen: Wer sind denn eure Kunden? Wo verkauft ihr euren Kaffee?
Sven: Wir haben verschiedene Zielgruppen. Zum einen sind das Privatpersonen. Dieser Bereich ist aus dem privaten Umfeld gewachsen, aber wir haben mittlerweile auch einen Online-Shop-Partner über den wir unseren Kaffee anbieten. Zum anderen arbeiten wir aber auch mit Retailern zusammen. Wir sind zum Beispiel bei uns in Augsburg in Kaffeefachgeschäften oder Feinkostläden vertreten. Diese bieten dann natürlich nur Premiumkaffee an und beraten ihre Kunden auch.
Wo wir aktuell bewusst nicht reingehen sind Supermärkte. Das macht momentan keinen Sinn für uns, da wir dort in der Fülle des Angebotes untergehen würden. Um sich dort abzugrenzen, muss man sehr viel ins Marketing investieren und deswegen haben wir uns zunächst dagegen entschieden.
Was wir aber aktuell ausrollen ist das Thema Firmenkunden, also Kaffee in Büros, da immer mehr Firmen sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen.
Jules: Sehr gut. Was ist denn eure Definition von fair oder direkt gehandeltem Kaffee?
Sven: Ich würde sagen wir gehen noch einen Schritt weiter als fair oder direkt gehandelter Kaffee, weil wir zu 100 % im Ursprungsland produzieren lassen. Das ist ein Kriterium, das für Fair Trade oder Direct Trade nicht zwangsläufig vorgesehen ist. Diese Bezeichnungen beziehen sich ja auf den Rohkaffee. Der entscheidende Unterschied zu uns ist, dass wir dem Bauern die Verantwortung des Produzierens, also auch das Rösten, übergeben. Somit können wir die Communities vor Ort noch mehr unterstützen, da der Farmer dann zum Beispiel Arbeitsplätze schaffen kann. Er wird damit auch zum Betriebswirt, denn er muss lernen zu kalkulieren, hat Maschinen vor Ort, hat Mitarbeiter und alles was dazu gehört. Dadurch kann er natürlich ganz andere Margen erzielen, als bei reinem Rohstoffhandel. Natürlich finden wir Direct Trade super, denn das hat auch schon einen großen Impact auf die Kaffeebauern und wir können auch verstehen, dass noch nicht viele unseren Ansatz verfolgen. Dieser bringt wie oben beschrieben viele Herausforderungen mit sich und verlangt auch einige Investments am Anfang.
Dennoch sind wir überzeugt von unserem Konzept, weil es stabile Arbeitsverhältnisse in den Ursprungsländer schafft und sich damit nachhaltig positiv auf die Gesellschaft auswirkt. Makroökonomisch betrachtet kann es langfristig sogar große Probleme wie Armut oder Flüchtlingsströme verhindern. Kaffee ist eine riesige Industrie und betrifft so viele Menschen weltweit, dass man mit einem guten Ansatz hier sehr viel bewegen kann.

Jules: Cool, wenn wir jetzt grad schon so ein großes Bild malen – ist das eure Vision? Und ist es euer Ziel, damit die Welt ein bisschen besser zu machen (auch wenn es abgedroschen klingen mag)?
Sven: Definitiv. Man muss natürlich schauen, wie man das formuliert, weil es sich oft so romantisch anhört, aber ja, das ist unser Ziel. Wir möchten Bewusstsein dafür schaffen, dass es möglich ist. Man kann Menschen helfen, indem man ihnen mehr Verantwortung gibt. Und wir möchten mit gutem Beispiel vorangehen. Auch wenn wir nur klein anfangen können, können wir trotzdem Aufmerksamkeit erzeugen und zu Veränderung anregen, praktisch den Stein ins Rollen bringen.
Wir haben von Anfang an groß gedacht und haben uns deshalb auch Worlds Originals genannt. Wir möchten damit die Kultur und den Stolz, der mit der Herkunft des Kaffees zusammenhängt, vermitteln. Als langfristiges Ziel möchten wir gerne mehr Vielfalt anbieten und die unterschiedlichen Kaffees nach Deutschland holen.
Jules: Du sagst ihr möchtet als gutes Beispiel voran gehen – könnt ihr auch schon feststellen, dass euch nachgeeifert wird? Dass euer Konzept oder Teile davon übernommen werden?
Sven: Wir nehmen tatsächlich war, dass viele Produzenten den Weg scheuen, da er mit vielen Herausforderungen kommt und zudem noch eine kleinere Marge bietet. Das bedeutet rein wirtschaftlich gesehen ist die Umstellung auf Produktion im Ursprungsland für den Händler hier nicht lukrativ.
Es ist ein hart umkämpfter Markt und wir gehen davon aus, dass es noch etwas Zeit braucht bis das Umdenken im Kaffeehandel intensiver stattfindet.
Jules: Cool, dass ihr das trotzdem macht. Und danke, dass du dein großes Zielbild mit uns teilst. Kleiner gedacht: Was sind eure Pläne und Ziele für dieses Jahr?
Sven: Zunächst hoffen wir, dass wir Ende des Jahres nach Kolumbien fliegen können. Operativ planen wir, dass wir weitere Partner und Kunden gewinnen, um das Konzept sichtbarer machen. Wir möchten wachsen und mehr Reichweite generieren, um mehr Menschen für diese Idee begeistern zu können. Dann können wir hoffentlich noch mehr Zulieferer ins Boot holen und das Konzept auf andere Länder ausweiten. Es gibt ja noch so viele spannende und interessante Kaffeeländer.
Jules: Ich drück euch die Daumen für die Kolumbienreise und natürlich auch für das Ausweiten des Konzepts auf weitere Länder. Verrätst du mir zum Schluss noch was dein Lieblingskaffee ist und wie du ihn am liebsten trinkst?
Sven: Ich mag generell hell geröstete Kaffees gerne, die eine gewisse Fruchtigkeit und leichte Säure haben und dann am liebsten als Filterkaffee oder Americano. Ich trink auch ab und zu mal einen Cappuccino oder Espresso, aber generell eher die große Tasse. Wohingegen Peter, mein Mitgründer, zum Beispiel am liebsten Espresso trinkt.
Damit können wir auch immer gut schauen, wie ein Kaffee schmeckt, denn wenn er als Americano oder Espresso gut funktioniert, dann wird er auch in einer Variante mit Milch lecker sein.
Jules: Definitiv. Ich hab auch mittlerweile gelernt, dass schwarzer Kaffee gut schmecken kann! Vielen lieben Dank für das Interview, Sven und ganz viel Erfolg weiterhin.
Was haltet ihr von dem Konzept? Schreibt es hier in die Kommentare🤗